Lampertheimer Zeitung vom 03.02.2017

Von Bernd Sterzelmaier

RHEIN-NECKAR - „Ernüchterung“, so hat die Interessengemeinschaft Bahnregion Rhein-Neckar 21 (IG BRN 21) eine Presseerklärung überschrieben, in der sie vom Verlauf einer Tagung in Heppenheim berichtet.

Zur ersten Sitzung der Arbeitsgruppe „Verkehrskonzeption“ waren 60 Teilnehmer aus Politik, Verbänden, Bürgerinitiativen und andere Institutionen bei der DB Netz AG angemeldet. „Verkehrskonzeption“ ist eine von fünf Arbeitsgruppen, die nach der Tagung des Beteiligungsforums zur geplanten Neubaustrecke im Bahnkorridor Frankfurt-Mannheim-Karlsruhe gebildet wurde. Die Arbeitsgruppen tagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Wie die IG BRN schreibt, sollte den Teilnehmern verdeutlicht werden, wie die Korridorstudie Mittelrhein und der Bundesverkehrswegeplan 2030 zustande kamen. Deren Ergebnis ist, eine Hochgeschwindigkeitsstrecke für tagsüber 150 ICE und 31 Güterzüge nachts zu bauen. Diplomingenieur Michael Pohl, Mitarbeiter der Intraplan Consult GmbH, erläuterte die Methodik seiner Untersuchung. Er hatte vom Bundesverkehrsministerium den Auftrag erhalten, eine Nutzen-Kosten-Berechnung zu erstellen. Ergebnis: Die Trasse sei wirtschaftlich sinnvoll.

Die Bürgerinitiativen kritisieren die Methoden und Berechnungsgrundlagen, nach denen die Interplan-Fachleute vorgegangen sind. So werde eine Stunde Fahrzeitgewinn mit 25 Euro berechnet, was bei der großen Zahl von Fahrgästen im Laufe eines Jahres eine Milliardensumme ergibt. Eine Lärmreduzierung von einigen Dezibel schlage dagegen nur mit Cent-Beträgen zu Buche. „Jede Minute Fahrzeitgewinn bedeutet also einen hohen Ertrag, während weniger Lärm vergleichsweise wenig erwirtschaftet“. Dabei sei der Lärm zum vordringlichsten Problem geworden. Auch sei deutlich geworden, dass der Wunsch, die S-Bahn auszubauen und die Strecken zu verlängern, bei diesem Gutachten nicht berücksichtigt wurde. Außerdem hätten die Vertreter der Bürgerinitiative lernen müssen, dass der Bau eines Tunnels bei Karlsruhe als Verbesserung der Lärmsituation auf der ganzen Strecke in die Berechnungen einfließt.

Die Interessengemeinschaft wurde 2015 gegründet. Sie ist ein Zusammenschluss von vier Bürgerinitiativen: „Lebensraum vor ICE-Trasse“ (Bila, Lampertheim), „Gesundheit statt Bahnlärm in Mannheim“, „Schutz vor Bahnlärm“ Weinheim und der Bürgerinitiative „Stille Schiene“ Hockenheim (Biss).

Im Bericht heißt es zusammenfassend: „Die IG will das Neubauprojekt nicht verhindern. Im Gegenteil: IG BRN 21 will eine möglichst schnelle Engpassbeseitigung zwischen Frankfurt und Mannheim für Güterzüge, den Mannheimer Hauptbahnhof als ICE-Knoten stärken, Darmstädter Forderungen berücksichtigen, freie Kapazitäten für den Schienenpersonennahverkehr (Regionalzüge/S-Bahn) schaffen und den Rangierbahnhof Mannheim als zentralen Knoten berücksichtigen“.

Für die IG BRN 21 stehen nicht die Spitzengeschwindigkeit bis 300 Kilometer pro Stunde und wenigen Minuten Fahrzeitgewinn im Vordergrund, sondern die zu erwartenden 200 bis 300 zusätzlichen Güterzüge pro Tag und die für eine ordentliche S-Bahn-Vertaktung notwendigen 100 bis 200 zusätzlichen S-Bahn-Züge.