Lampertheimer Zeitung vom 4. März 2019

Von Meike Paul

Mehr als 2000 Teilnehmer beim Lichterzug durch Lampertheimer Wald / Bila hofft auf politische Entscheidung

LAMPERTHEIM. In gelben und orangefarbenen Warnwesten pilgern sie an diesem Abend zum Neuschlösser Spielplatz. Kinder toben, fuchteln mit Taschenlampen, Hunde laufen sicheren Schrittes und mit blinkenden Halsbändern neben ihren Herrchen. Es ist die Mission, die Forderung nach Selbstbestimmung, Ruhe und Erhalt der Natur, die an diesem Abend über 2000 Menschen auf über zwei Kilometern in den Wald treibt. Sie alle wollen ein Zeichen gegen die geplante Bahntrasse setzen, stehen gemeinsam für ihr Zuhause ein.

Ein Lichterzug, der mittels eines Kamera-Hubschraubers dokumentiert wird. Hoffnung auf Erfolg und Verständnis, was an diesem Abend zwischen den Bäumen mit unzähligen Lichtquellen aufleuchtet.
„Das ist toll und richtig“, wie Bürgermeister Gottfried Störmer das Treiben bewertet. Er selbst ist an diesem Abend dabei, will als Aktivist gegen die Zerschneidung des Waldes kämpfen und hat sich deshalb neben Politikern, Vertretern des Naturschutzbundes und anderer örtlicher Vereine mit Taschenlampe eingereiht. Ein paar Meter weiter steht Marco Steffan, sein Wahlkampfherausforderer. „Auch wenn manche Lampertheimer vielleicht in der Kernstadt wohnen, dieses Projekt geht alle an“, findet er. Eine gute Sache also, die Einigkeit schafft und selbst Kontrahenten in Wahlkampfzeiten verbindet. Ulrich Guldner, Sprecher der Bürgerinitiative Lampertheim (Bila) und Mitorganisator des Lichterzugs, ist vom Zusammenhalt und dem Gemeinschaftsgefühl überwältigt: „Wir hatten gehofft, dass viele Menschen kommen werden. Dass es am Ende so viele sind, das hätten wir nicht gedacht.“ Im April wollen Guldner und seine Kollegen den Verantwortlichen der Deutschen Bahn ihre Forderungen präsentieren, einen nachhaltigen Verlauf der neuen Zugstrecke zwischen Frankfurt und Mannheim fordern. Ein Ja zu neuer Bahnstrecke, aber ein Nein zur Zerschneidung des Lampertheimer Waldes und zur Verlärmung der Natur.
„Der Lichterzug wird deshalb eine von noch vielen weiteren Aktionen sein“, so Guldner. Damit wollen die Aktivisten verdeutlichen, dass die Lampertheimer Bürger sich nicht von Entscheidungsträgern überrennen lassen. Und lässt man seinen Blick durch die Menge schweifen, dann sieht man Hoffnung. Aber durchaus auch etwas Angst.
„Ich habe früher selbst an Bahngleisen gewohnt, weiß, wie nervtötend das sein kann“, erklärt Isabel Stiebler. Gemeinsam mit Freundin Heike Bosch und den Kindern Corvin (9), Hellen (5), Marten (9) und dem Nachbarsjungen Theo (7) stehen die Frauen blinkend und leuchtend im Wald. Kopfstirnlampen haben sie dabei, Scheinwerfer und Knicklichter. „Es geht hier um Lebensqualität, um unser Zuhause“, sagt Stiebler, die ihren Nachwuchs nicht in der Nähe von Gleisen spielen lassen möchte.
Auch Uwe und Caro Moser sehen ihr Idyll am Sandtorfer Weg bedroht. „Mit 30 Metern Abstand soll die Trasse an unserem Grundstück vorbeigehen. Das wäre furchtbar“, wie Uwe Moser findet. Deshalb machen sich die Eheleute für den Lärmschutz stark, empfehlen, unbequem zu sein. Auch die Möglichkeit, einen Anwalt zur Unterstützung zu nehmen, nennt Ulrich Guldner. „Die Bahn ist gezwungen, sich mit dem Widerstand auseinanderzusetzen. Wir fordern Lebensraum vor Trasse.“ Mit dem Lichterzug ist daher schon einmal ein Anfang gemacht. Ein stiller Protest, mit eindrücklicher Gewalt. Aber die Bila will noch lauter werden und hofft, auch dann die Bürgerschaft hinter sich zu wissen.

Politik bestimmt

von pam

Der Protest im Neuschlösser Wald ist ein wichtiges Signal, denn am Ende könnte der Bundestag die Entscheidung der Bahn überstimmen. Die Politik kann einen anderen Streckenverlauf festlegen, muss dann aber auch die Mehrkosten bezahlen. „Wir wollten mit unseren Aktionen die Parteien bitten, diesen Weg zu gehen. Lampertheim muss sich Gehör verschaffen“, sagt Ulrich Guldner. Der Bila-Sprecher bedauert die Vorgehensweise der Bahn: „Man wird uns erst in Kürze mitteilen, wo die Gleise zwischen Frankfurt und Mannheim liegen sollen.“

Kommentar: Signal gesetzt

von Vanessa Körber

Vom Zuspruch zeigten sich selbst die Veranstalter überwältigt: Dass sich wirklich 2000 Menschen zusammentun und als Einheit ein Ausrufezeichen hinter den leuchtenden Protest gegen die geplante C-Trasse der Bahn setzen würden, damit haben die Verantwortlichen von Bürgerkammer und Bila trotz größter Hoffnungen nicht gerechnet. Mit Smartphones und Taschenlampen in der Hand, mit Leuchten am Kopf und Warnwesten am Körper bewiesen die Bürger aus Neuschloß, Lampertheim und der gesamten Umgebung vollen Einsatz – und damit haben sie im Kampf gegen die Pläne der Bahn ein wichtiges Signal gesetzt. Denn selbst, wenn sich die Bahn trotz Medienpräsenz, unter anderem in Form von TV-Teams, unbeeindruckt zeigen sollte, diente die Aktion vielem mehr: der Information und dem Zusammenhalt. Je mehr – vor allem direkt betroffenen Bürgern – das tatsächliche Ausmaß der Waldzerschneidung eindrücklich vor Augen geführt werden kann, desto größer wird der Unmut und desto zahlreicher womöglich die Klagen gegen die Bahn, sollte diese sich tatsächlich für die C-Trasse entscheiden. Je mehr Klagen eingehen, desto mehr Verfahren wird es geben. Verfahren, die Zeit kosten. Und  die für die Bahn verlorenes Geld bedeuten.

© Lampertheimer Zeitung, Montag, 04.03.2019