Rhein-Neckar-Zeitung vom 01.02.2018 (online)

Von Philipp Weber

Rücklauf in Lampertheim und Weinheim groß - In Mannheim war viel mehr drin - Ergebnis ist dennoch aufschlussreich

Lampertheim war am weitesten gegangen: Die Kommune und die Initiative "Lampertheim - Lebensraum vor ICE-Trasse" hatten die Fragebögen per Postwurf an die Anwohner verteilen lassen.

Mit Erfolg: 863 Bürger aus der 31.000- Einwohner-Stadt an der Riedbahn gaben dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA) zu verstehen, wie sehr sie sich durch das Rauschen, Rumpeln und Quietschen von Güterzügen gestört fühlen: "Wir sind nach Düsseldorf die Stadt mit den meisten abgegebenen Fragebögen", so Stadtsprecher Christian Pfeiffer. Weinheim ist ebenfalls stark betroffen. In der Stadt an der Main-Neckar-Bahnline kamen 738 Bögen zurück: Rang vier. In anderen Teilen der Region blieb der laute Aufschrei indessen aus.

Worum geht es? Das EBA nimmt aktuell eine Lärmaktionsplanung vor, die durch EU-Recht vorgegeben ist. Dabei wird die Öffentlichkeit beteiligt. Die erste Umfrage lief vom 30. Juni bis zum 25. August 2017. Bürger konnten zwölf Fragen per Multiple-Choice-Verfahren beantworten. Bürgerinitiativen hatten zur Teilnahme aufgerufen, die Kommunen leisteten Öffentlichkeitsarbeit. Jetzt hat das EBA die Ergebnisse publiziert. Eine zweite Befragung läuft noch bis März. Allerdings evaluiert diese nur den ersten Durchgang.

Was störte die Bürger? 615 der 738 Weinheimer Teilnehmer gaben an, dass sie sich vom Schienenlärm "stark gestört" fühlen. 104 antworteten mit "mittel". Auch die Frage nach den Schuldigen war rasch geklärt: 440 Teilnehmer nannten nur den Güter-, 274 den Personen- und Güterverkehr. Fast alle nahmen die Fahrgeräusche der Züge als störendste Lärmquelle wahr. 663 Teilnehmer gaben an, sich beim Ein- und Durchschlafen beeinträchtigt zu fühlen, 508 kreuzten zudem "beim Entspannen" an. In Lampertheim waren die Hauptkritikpunkte fast identisch.

Was wünschen sich die Lärmgeplagten? Die Vorschläge "Maßnahmen am Zug" und "Maßnahmen an der Strecke" (Lärmschutzwand) schnitten etwa gleichstark ab. Hintergrund: Aktuell werden Güterwaggons auf Flüsterbremsen umgerüstet. Die alten Graugussbremsen rauen die Räder auf. Dadurch entsteht der Krach.

Wäre eine stärkere Beteiligung drin gewesen? "Ich finde das Ergebnis enttäuschend", so Karl Hans Geil von der Interessengemeinschaft Bahnregion Rhein-Neckar 21 (IGBRN 21) - und meint damit vor allem Mannheim. In kleineren Kommunen wie Lampertheim hätten Initiativen das Thema besetzen und mit den Verwaltungen anpacken können. Angesichts der geplanten ICE-Trasse von Mannheim nach Frankfurt fürchten Bahnkritiker, dass die heutigen Bestandsstrecken künftig noch mehr Güterverkehr schlucken müssen, wenn die Schnellzüge die neue Linie nehmen. "Die Öffentlichkeitsarbeit des EBA war ebenfalls sehr bescheiden", so Mitstreiter Gunther Mair.

Ergeben sich aus der Befragung rechtliche Konsequenzen? "Unser Bundesverband vertritt die Auffassung, dass dies nicht der Fall ist", so Mair. Unabhängig vom Lärmaktionsplan stelle der Bund jedoch jährlich Mittel für ein "freiwilliges Lärmsanierungsprogramm" bereit. Dabei sollen Kommunen anhand einer Prioritätenliste Lärmschutzwände bekommen: "Dieses Programm bildet die Realität ab." Eine wesentliche Rolle spiele dabei die "Lärmkennziffer", die das EBA ermittelt, so der Weinheimer BI-Bahnlärm-Sprecher Peter Thunsdorff. Diese Zahl setzt die Menge der Strecken-Anwohner in Relation zur Größe einer Stadt. Das Verfahren ist hochumstritten, aber Weinheim steht unter den Mittelzentren auf Platz sieben.

Nutzt die Umfrage also gar nichts? Politisch ist sie wertvoll. Weinheims OB Heiner Bernhard fordert seit Jahren, die Stadt wieder ins Lärmsanierungsprogramm aufzunehmen. Sven Hantel, DB-Konzernbeauftragter für Baden-Württemberg, verwies ihn zuletzt auf die Öffentlichkeitsbeteiligung des EBA - die jetzt vorliegt. Ein Erinnerungsschreiben kommt.