Südhessen Morgen vom 12. Juni 2017

Von Matthias Kros

Die Deutsche Bahn treibt ihre Planungen für die Neubaustrecke Rhein/Main-Rhein/Neckar weiter voran. Bis Ende 2019 soll feststehen, wie genau die Trasse im Korridor Lorsch/Viernheim/Mannheim verlaufen soll und wie Mannheim eingebunden wird. Das geht aus den Unterlagen des Beteiligungsforums zu dem Projekt hervor.

Grundlage für eine Entscheidung soll die bereits laufende Untersuchung des Bahnknotens Mannheim sein, die die Bahn bis zum Sommer  2018 abschließen will. Mannheim zählt zu den wichtigsten Umsteigebahnhöfen in Deutschland und wird wegen der Verknüpfung verschiedener Verbindungen als Bahnknoten bezeichnet.

Große Bedeutung
Durch die Neubaustrecke Rhein/Main-Rhein/Neckar wird er nun noch weiter belastet. Die Strecke gilt als das mit Abstand wichtigste Verkehrsprojekt in der Region. Sie soll die schon heute bestehenden Engpässe zwischen Frankfurt und Mannheim beheben. Entsprechend nahm der Bund 2016 das Projekt in den „Vordringlichen Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplans auf. Die Bahn startete parallel ihre Planungen und richtete das Bürgerbeteiligungsforum ein. Die Arbeitsgruppe „Dreieck Lorsch/Viernheim/Mannheim“ tagt (nicht-öffentlich) am 19. Juni zum zweiten Mal.

Dabei wird – den Unterlagen zufolge – ausdrücklich auch eine sogenannte „Güterverkehrsumfahrung“ zur Entlastung des Stadtgebiets Mannheim diskutiert. Diese zusätzliche Trasse, auf der Transitzüge an Mannheim vorbeigeführt werden könnten, würde dann im Süden der Stadt wieder in die bestehenden Strecken nach Stuttgart und Karlsruhe einmünden. Ein solcher Bypass war von Region und Stadt lange Zeit vehement abgelehnt worden, weil man befürchtete, von Verkehren der Bahn auf Dauer abgekoppelt zu werden. Allmählich freundet sich Mannheim aber offenbar mit dem Gedanken an. Es dürfe „keinerlei Denkverbote“ geben, teilte eine Sprecherin mit.

Bislang ist der Trassenverlauf im Korridor Lorsch/Viernheim/Mannheim noch völlig offen. „Mögliche Routen für die Güterzüge gibt es noch nicht“, sagte eine Bahn-Sprecherin. Zunächst müsse die Untersuchung des Bahnknotens Mannheim abgeschlossen sein. Diese soll klären, ob in Mannheim neue Kapazitäten geschaffen werden müssen, um die zusätzlichen Personen- und Güterverkehre, die die geplante Neubaustrecke bringen wird, aufnehmen zu können.

Die Bahn hatte bereits angekündigt, dass über die Neubaustrecke 40 zusätzliche ICE-Linien verkehren sollen. Unklar sind aber die Zahlen für den Güterverkehr, der ja von unterschiedlichen Gesellschaften betrieben wird. Bislang war von etwa 200 Güterzügen pro Tag die Rede, die ohne Güterverkehrsumfahrung alle durch das Mannhzeimer Stadtgebiet rollen würden  – vor allem nachts und mit entsprechender Lärmbelastung. Zuletzt waren daher
 – vor allem von Anwohnern – immer wieder Forderungen nach einer Umfahrungstrasse vor allem für Transit-Güterzüge laut geworden, also solche, die nicht am Mannheimer Güterbahnhof umgeschlagen werden. Das ist etwa bei jedem zweiten Güterzug der Fall.

Jahrelanger Streit
Der Streit um einen Bypass hatte die Planungen über viele Jahre für die Neubaustrecke über viele Jahre blockiert. Ende der 90er-Jahre hatte der frühere Bahn-Chef Hartmut Mehrdorn die Region mit seinem Plan geschockt, regelmäßig ICE-Züge auf einer Umfahrungstrasse direkt von Frankfurt nach Stuttgart fahren zulassen.

Auch jetzt lege man bei den Planungen größten Wert auf eine „volle Anbindung des Hauptbahnhofs an den Personenverkehr“, sagte die Sprecherin in Mannheim. Gleiches gelte für den Rangierbahnhof. Zudem lege man Wert auf „Menschen-, raum und umweltverträgliche Lösungen“. Maßnahmen, die zu diesen Punkten beitragen würden, werde die Stadt Mannheim „positiv begleiten“.


Kommentar von Matthias Kros über die Planung der Neubastrecke

Bis die ersten Güterzüge und ICEs über die Neubaustrecke Rhein/Main-Rhein-Neckar rollen, wird noch eine ganze Weile vergehen. Bislang hat die Deutsche Bahn nicht einmal einen möglichen Termin für einen Baubeginn genannt.

Das heißt aber nicht, dass sich derzeit nichts bewegt. Im Gegenteil: Die entscheidenden Weichen für das mindestens vier Milliarden Euro teure Verkehrsprojekt werden bereits in den kommenden beiden Jahren gestellt. Und die Folgen sind weitreichend: Mehrere Hundert lärmende Güterzüge müssen künftig jeden Tag irgendwie durch den Bahnknoten Mannheim gebracht werden.

Dass dieses ohne zusätzliche Kapazitäten und alles auf dem Mannheimer Stadtgebiet möglich sein soll, ist aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. Mannheim und Region tun daher gut daran, ohne Denkverbote in die Verhandlungen zu gehen und – anders als in früheren Jahren – eine Umfahrungstrasse nicht kategorisch ausschließen. Vor allem die Transit-Güterzüge – voraussichtlich ist das jeder zweite – ließen sich somit aus dem Stadtgebiet verbannen.