Echo-Online vom 17.05.2017

Von Dirk Winter

GERNSHEIM - Es ist laut auf der Riedbahnstrecke, und es wird wohl noch lauter: Heute schon fahren dort 84 bis 113 Güterzüge pro Tag.

Nach einem Szenario im Bundesverkehrswegeplan könnten es im Jahr 2030 mehr als 350 Güterzüge sein. Diese Zahlen präsentierten die Sprecher der Interessengemeinschaft „Bahnregion Rhein-Neckar 21“ (IG BRN), Karl Hans Geil und Ulrich Guldner, am Dienstagabend im Gernsheimer Bauausschuss. Hintergrund ist die geplante Neubaustrecke Frankfurt – Mannheim, auf die künftig vor allem der Hochgeschwindigkeits-Personenverkehr verlagert werden soll, sodass für den Güterverkehr Kapazitäten auf der Riedbahn frei würden.

Doch die IG BRN gibt zu bedenken, dass zwischen der Rhein-Main und Rhein-Neckar-Region heute schon die meisten Güterzüge innerhalb Deutschlands verkehren. Weshalb die IG, ein Zusammenschluss von vier Bürgerinitiativen, auch die Verlagerung von möglichst vielen Gütertransporten auf die Neubaustrecke (NBS) fordert.

Die Interessengemeinschaft sieht die NBS vor allem im Güterverkehr als Lückenschluss, der einen Engpass im sogenannten Rhein-Alpen-Korridor beseitigen soll. Dieser Korridor verbindet die großen europäischen Umschlaghäfen Rotterdam und Genua.

Aber auch im Personenverkehr bestehe in der hiesigen Region ein Engpass. Deshalb betonte Karl Hans Geil, der Dekan im evangelischen Dekanat Ried: „Wir wollen die Neubaustrecke nicht verhindern.“ Das Projekt müsse aber, so Guldner, „menschengerecht, naturverträglich und zukunftsorientiert“ verwirklicht werden. Die bisherigen Planungen der Bahn stünden diesem Ziel entgegen, machte der IG-Sprecher deutlich. Das fängt schon bei der geplanten Trasse an, die laut Geil zwar mit der Autobahn 67 gebündelt ist, aber dann bei Lorsch quer durch den Lampertheimer Wald und dicht am Stadtteil Neuschloss vorbei führe, eine neu gebaute Umgehungsstraße quere, um dann an die Riedbahn anzuschließen.

Die IG fordert dagegen eine enge Bündelung mit den Autobahnen A5, A67 und A6, den Verzicht auf zusätzliche Zerschneidungen der Landschaft sowie in Siedlungsnähe und Schutzgebieten den Bau von Tunnels, zumindest aber eine Tieferlegung der Gleise in einen Trog.

Eine Untertunnelung hält Bürgermeister Peter Burger (CDU) auch für den Gernsheimer Stadtwald, der von dieser Trassenplanung ebenfalls betroffen wäre, für angebracht. Grundsätzlich aber stellte Burger die bisher geplante Routenführung infrage: „Von Rotterdam nach Genua muss es auch andere Wege geben als ausgerechnet durch die dicht besiedelte Oberrheinebene.“

Zudem will die IG den Personennahverkehr auf der Schiene ausgebaut haben, auf dass dieser mit einer engeren Vertaktung sowie mit mehr Pünktlichkeit und Verlässlichkeit ablaufe: „Dann würde die Bahn auch mehr genutzt werden“, sagte Geil.

Überzeugungsarbeit auf höherer Ebene

Das große Thema für die Region aber ist der Schutz der Bevölkerung vor Bahnlärm. Die größte Chance, die Lärmbelastung an NBS und Bestandsstrecken nachhaltig zu reduzieren, sieht die IG BRN durch eine Einigkeit in der Rhein-Main-Neckar-Region – länder- und parteiübergreifend sowie über alle politischen Ebenen hinweg.

Bürgermeister Burger stimmte dem zu: „Wir ziehen bereits an einem Strang.“ Auf die Nachfrage von Stadtrat Roland Kramer (SPD), wie sich die Stadt Gernsheim gegen die bisherigen Planungen wehren könne, sagte Guldner: Die Fraktionen im Stadtparlament müssten zusammenarbeiten und, sofern nötig, Überzeugungsarbeit gegenüber den höheren politischen Ebenen leisten: dem Kreis Groß-Gerau und den hiesigen Landtagsabgeordneten.