Lampertheimer Zeitung vom 30.12.2017

Von Oliver Lohmann

Das Beteiligungsforum für die ICE-Neubautrasse hat noch keinen Fortschritt gebracht. In Lampertheim setzt man auf einen Projektbeirat mit Mitspracherecht.

LAMPERTHEIM - Rot-weißes Absperrband flattert an der Landesstraße 3110 einen Steinwurf vom Ortsschild Lampertheim-Neuschloß entfernt. Schon ein paar Jahre lang. Nachdem es von Wind und Wetter beschädigt wurde, haben es die Mitglieder der Bürgerinitiative Lampertheim (Bila) wieder hergerichtet.

Das Absperrband soll zeigen, wie breit die Trasse und wie groß der Waldverlust wäre, wenn die Bahn hier ihre Neubaustrecke bauen würde. Und wie nahe die Schnell- und Güterzüge direkt an Neuschloß vorbeisausen. Noch immer schwebt diese „Waldzerschneidungsvariante“ über Lampertheim. Der frühere Bürgermeister Erich Maier sagte einmal, er lasse sich an einen Baum im Wald anketten, um das zu verhindern. Bevor allerdings nicht die Mannheimer Knotenstudie auf dem Tisch liegt, äußert sich die Bahn nicht zu ihrer bevorzugten Variante.

Die Deutsche Bahn hat ein Beteiligungsforum für die Neubaustrecke zwischen Frankfurt und Mannheim ins Leben gerufen. Hier soll ein „Austausch“ rund um die Planungen der Bahn sowie der Länder Hessen und Baden-Württemberg stattfinden, und es sollen Lösungen erarbeitet werden. Zum dritten Mal tagte das Beteiligungsforum am 4. Dezember in Erzhausen. Zu den rund 90 Teilnehmern aus Politik, Verbänden und Bürgerinitiativen gehörten auch mehrere Lampertheimer, darunter Bürgermeister Gottfried Störmer und die Bila. Der Neuschlösser Ulrich Guldner, einer der Sprecher der Bila, engagiert sich schon seit vielen Jahren für eine „menschenverträgliche“ Neubautrasse, die weder den Wald noch die Lampertheimer Gemarkung durchschneidet. Seine ZwischenBilanz des Beteiligungsforums ist nicht sehr positiv.

Bila beteiligt sich an fünf Arbeitsgruppen

„Es ist schon mehr als ein Jahr vorbei, aber im Beteiligungsforum ist noch nicht viel passiert. Die Bahn hat vorgestellt, was ihr Auftrag laut Bundesverkehrswegeplan ist, und genau das versucht sie umzusetzen“, sagt Ulrich Guldner. Im Gegenzug hätten die Bürgerinitiativen und andere Gruppierungen ihre Ideen eingebracht. „Die Bahn will Vorschläge bis zu einer gewissen Tiefe prüfen. Sollte sich ergeben, dass das teurer wird oder die Strecke langsamer wird als die Bahn plant, dann will sie die Ideen nicht weiter verfolgen“, erklärt Guldner ein wenig frustriert. Man wisse schon vorher, was bei der Prüfung der Bahn herauskomme.

Die Bila sitzt nicht nur im eigentlichen Beteiligungsforum, sondern auch in allen fünf Arbeitsgruppen, um nichts zu verpassen und um ihre Meinung zu äußern. In der AG „Dreieck Lorsch/Viernheim/Mannheim“ wird besprochen, wie der zunehmende Schienenverkehr durch Mannheim geführt werden kann und ob zusätzliche Baumaßnahmen nötig sind. Dazu führen die Bahn und der Bund derzeit eine Knotenuntersuchung Mannheim durch. „Zur Knotenuntersuchung der Bahn haben die Teilnehmenden Hinweise eingebracht. Erste Zwischenergebnisse werden in der ersten Hälfte des kommenden Jahres erwartet. Aus den Ergebnissen der Knotenuntersuchungen können sich Alternativenprüfungen für Mannheim und den Bereich zwischen Lorsch und Mannheim ergeben“, teilt das Bensheimer IFOK-Institut mit, welches das Forum moderiert. Guldner ist sich sicher, dass sich die Bahn nicht zur Strecke Lorsch-Mannheim äußert, bevor die Knotenstudie vorliegt. „Die DB wird passend zum Ergebnis der Knotenstudie sehr schnell ihre Planungen vorlegen“, vermutet Guldner. Die Bila habe Vorschläge gemacht, was alles in der Studie berücksichtigt werden müsste. Beispielsweise ein theoretisch denkbarer 15-Minuten-Takt der künftigen S-Bahn, der zu einem Problem für Güterzüge werden könnte. Doch dieser Vorschlag sei nicht angenommen worden.

Frustriert ist Guldner ebenso von der AG „Bestandsstrecken“: Auch nach dem Bau der neuen Trasse wolle die DB auf der Riedbahn jede Menge Güterverkehr fahren lassen, aber nicht für mehr Lärmschutz sorgen. Neue Bremsklötze an den Güterzügen machten diese leiser. Dadurch könne die Zahl der Güterzüge und deren Länge steigen, ohne dass der Lärm insgesamt zunehme. „Wir führen jede Menge Diskussionen und haben unterschiedliche Auffassungen. Wenn das so weitergeht, kommen wir nie ans Ziel“, meint der Neuschlösser, der mit seinen Mitstreitern für eine Trasse kämpft, die gebündelt mit der A67 und der A6 verläuft, damit eine offene Zerschneidung von Wald und Feld vermieden wird. Viele andere Lampertheimer unterstützen die Bila im Forum: der Bürgermeister, die Bürgerkammer Neuschloß, der Anglerclub Freundschaft und die Bauernschaft.

Die Bila-Aktiven kämpfen aber zuerst einmal dafür, dass ein Projektbeirat eingerichtet wird. Dieser werde nötig, wenn Mehrkosten für eine von der DB-Planung abweichende Trasse oder gar ein anderes, für die ganze Region besseres Verkehrskonzept im Raum stehe. Das können leicht hunderte Millionen Euro sein. „Wir benötigen die Unterstützung der Bundestagsabgeordneten der Region. Denn die müssen die Mehrkosten im Bundestag genehmigen“, erklärt der Bila-Sprecher. Und verweist auf das gelungene Beispiel der Rheintalbahn in Südbaden: Dort konnte ein Projektbeirat Änderungen der ursprünglichen Planung durchsetzen, und die Politiker genehmigten die massiven Mehrausgaben.

Bis es soweit ist und darüber hinaus muss die Bila noch einiges in ehrenamtlicher Arbeit leisten. Die Fragen und Themen sind komplizierter geworden. Seien es rechtliche Fragen, die Technik, die Bemessungen, die Rechenmodelle, die Frage des Lärmschutzes. Alles hochkomplexe Themen, die mit Fachverstand und viel Zeit bearbeitet werden. Dafür benötigt Bila weitere Unterstützung. Gelegenheit bietet dazu das erste Treffen im neuen Jahr am 17. Januar um 19 Uhr im Alten Rathaus. Bürgermeister Gottfried Störmer versucht das Positive zu sehen: Das bisherige Geschehen diene dazu, die Beteiligten alle kennenzulernen, deren Standpunkte aufzunehmen und bahntechnische Sachthemen vorzustellen. „Ein Ergebnis im Sinne der Aufgabenstellung erwarte ich im Beteiligungsforum nicht. Leider ist das für eine offene und ergebnisorientierte Diskussion erforderliche Vertrauen noch nicht vorhanden.“ Die Entscheidung, mehrere Arbeitsgruppen mit Raum- oder Themenbezug einzurichten, sei notwendig und auch richtig gewesen. An einem Projektbeirat werde kein Weg vorbeigehen, wenn man die Region ernsthaft in die Entscheidungsfindung zum Trassenverlauf und Festlegung der betrieblichen Nutzung der Trasse einbinden will.

Vermutlich wird das rot-weiße Band bei Neuschloß noch eine ganze Weile im Wind flattern. Möglicherweise so lange, bis der Bundestag die Mehrkosten für eine menschen- und waldfreundliche Trasse genehmigt hat. Damit nicht am Ende doch noch jemand auf die Idee kommt, sich an einen Baum anzuketten.

ERGÄNZENDES GREMIUM

Das Beteiligungsforum ist ein Beratungsgremium mit empfehlendem Charakter und stellt als solches eine Ergänzung zum formellen Verfahren dar.

Es setzt sich zusammen aus Vertretern von Kommunen, Landkreisen, Behörden, Landesministerien, Bundesministerium, Bürgerinitiativen sowie Landtags- und Bundestagsabgeordneten. Ebenso beteiligt sind Vertreter von Kammern, Umwelt- und Naturschutz-, Fahrgast-, Wirtschafts- und Verkehrsverbänden, Gewerkschaften sowie der Deutschen Bahn.

Die Mitglieder des Beteiligungsforums repräsentieren die unterschiedlichen Sichtweisen der betroffenen Regionen in Hessen und Baden-Württemberg und bringen ihre lokale und regionale Expertise ein. Die nächste Sitzung des Beteiligungsforums findet im Mai 2018 statt. (olo)