Südhessen Morgen vom 13. Juni 2017

Von Uwe Rauschelbach

Der Montag, 19. Juni, ist auch für die Lampertheimer Bürgerinitiative „Lebensraum vor ICE-Trasse“ (BILA) von Bedeutung. Denn in der Sitzung des Arbeitskreises „Untersuchungsdreieck Lorsch-Viernheim-Mannheim“ innerhalb des Beteiligungsforums will sich die Bahn über ihre bisherige Untersuchung des Bahnknotens Mannheim äußern.

Bei dieser Knotenstudie wird untersucht, ob die vorhandenen Gleise innerhalb Mannheims ausreichen, oder ob neue Gleise erforderlich wären. Betrachtet werden dabei Fern- und Regionalverkehr, S-Bahn sowie Güterverkehr. Das Ergebnis der Knotenstudie ist entscheidend für die Planung und Nutzung der Schienenneubaustrecke zwischen Frankfurt, Mannheim und Karlsruhe.

Im gestrigen Bericht im Wirtschaftsteil unserer Zeitung („Bahn verspricht endlich Klarheit“) hatte eine Bahnsprecherin erklärt, in Bezug auf den Mannheimer Bahnknoten seien alle Planungen offen. Es dürfe „keinerlei Denkverbote“ geben, auch nicht im Hinblick auf eine Güterzug-Umfahrung Mannheims. Eine ICE-Umfahrung war von der Region bislang vehement abgelehnt worden.

Doch inzwischen prognostizieren Verkehrsexperten eine Zunahme des Güterverkehrs auf bis zu 500 Züge täglich. Würde die Bahn eine reine Schnellbahntrasse bauen, kämen die Güterzüge tagsüber allesamt auf die Bestandsstrecken. Mit entsprechenden Belastungen für die Bewohner der betroffenen Kommunen und Behinderungen des S-Bahn-Verkehrs. Laut BILA-Sprecher Ulrich Guldner lehnt die Bahn zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen an den bereits bestehenden Strecken ab. Bürgerinitiativen und Kommunen in der Region zwischen Frankfurt und Karlsruhe fordern jedoch optimalen Lärmschutz nach dem Standard einer Neubaustrecke.

Vorrangiges Ziel mehrerer Bürgerinitiativen ist ohnehin die überwiegende Verlagerung des Güterverkehrs an die Neubaustrecke. Dies wäre aus ihrer Sicht die optimale Lärmschutz-Variante für die Bestandsstrecken. Je nach Ergebnis der Mannheimer Knotenstudie könnte sich die Bahn für oder gegen eine ausschließliche Abwicklung des Güterverkehrs auf diesen Strecken entscheiden. Sollte die Bahn zu dem Schluss kommen, dass ihre bestehenden Strecken für die Abwicklung des Güterverkehrs ausreichen, hätte es die Region schwer, weiterreichenden Lärmschutz zu fordern. Nun komme es darauf an, dass die Bürgerinitiativen und die Bevölkerung in der Region zu ihren Forderungen stehen und diese deutlich artikulieren, meint der BILA-Sprecher: „Was wir heute zulassen“, so Guldner,
„haben wir die nächsten 150 Jahre vor der Nase.“ Für die gesamte Region zwischen Frankfurt bis Karlsruhe gelte nun: „Wir müssen zusehen, dass wir das Problem mit den Güterzügen in den Griff bekommen. Hier muss die Region ganz hart bleiben.“

Knackpunkt Lärmschutz

Nach Guldners Einschätzung könnte es geschehen, dass der Abschnitt zwischen Frankfurt und Mannheim der einzige auf der Gesamtstrecke zwischen Rotterdam und Genua ist, auf dem die Güterzüge über Bestandsstrecken ohne ausreichenden Lärmschutz verfügen. Es könne aber nicht sein, dass ausgerechnet die Bevölkerung in den verkehrsmäßig hoch belasteten Räumen an Rhein, Main und Neckar diesbezüglich leer ausginge. „Die Region hat jetzt die einmalige Chance“, so Guldner, „ihre Forderungen durchzusetzen. Diese Chance müssen wir nutzen. Sonst haben wir für die nächsten Jahrzehnte verloren.“

Bei einem Gespräch, das die Lampertheimer Bürgerinitiative kürzlich mit dem Bergsträßer CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Meister geführt hat, ist laut Ulrich Guldner betont worden, wie wichtig die Unterstützung der Bevölkerungsinteressen bezüglich der Neubautrasse durch die Landtags- und Bundestagsabgeordneten sei.

BILA-Treffen mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten (von links): Hans Schader, Dieter Melchior, Ulrich Guldner, Michael Meister, Karl-Hans Geil, Manfred Back und Karl-Heinz Barchfeld. BILD: NIX


Kommentar von Uwe Rauschelbach

Entscheidende Phase

Vor gut acht Jahren hat sich die Lampertheimer Bürgerinitiative „Lebensraum vor ICE-Trasse“ (BILA) gegründet. Seither ist die Diskussion über den Neubau einer Bahntrasse zwischen Frankfurt und Karlsruhe immer wieder einmal aufgeflackert und auch zwischendurch erlahmt. Doch allmählich treten die Planungen in ihre entscheidende Phase. Bis Ende 2019 soll geklärt sein, wie die Trasse im Korridor zwischen Lorsch und Mannheim verläuft und auf welche Weise der Mannheimer Hauptbahnhof ans Schienenverkehrsnetz angebunden werden soll.

Keine zwei Jahre mehr also, bis die Region Klarheit darüber haben wird, auf welchen Gleisen die schnellen ICEs und die lauten Güterzüge rollen werden. Diesbezüglich sind die Forderungen mehrerer Bürgerinitiativen jetzt schon klar: Verlagerung eines Teils des Güterverkehrs an die Schnellbahntrasse beziehungsweise Lärmschutz an den Bestandsstrecken auf einem Niveau, wie es die Bahn an ihren Neubaustrecken mittlerweile standardisiert hat. Dabei beruhen die Forderungen der Bürgerinitiativen neben dem Bemühen, sich bezüglich der Faktenlage stets auf Augenhöhe mit der Bahn zu bringen, auf zwei weiteren Säulen: der politischen Unterstützung und des Rückhalts der
Bevölkerung.

Was diesen betrifft, so hat es nicht den Anschein, als seien sich alle Menschen in der Region, die von den Bahnplänen betroffen sind, darüber bewusst, was auf sie zurollt. Die Entscheidungen der kommenden Monate werden sich auf die Lebensqualität vieler Menschen auswirken, und das über mehrere Generationen hinweg. Sei es, dass sie in der Nähe
einer ICE-Trasse oder an hochfrequentierten Güterzug-Gleisen leben müssen. Deshalb ist nunmehr jede Stimme gefragt, die gegenüber der Bahn auf die Waagschale gelegt werden kann, um eine für die Bevölkerung opti-
male Planung umzusetzen.